Es war einmal…
so beginnen die meisten Geschichten und Märchen.
Unsere beginnt tatsächlich etwas ander!
Ich bin Nelly, eine gescheckte Stute…und möchte euch heute mit in meine Welt nehmen um euch einen kleinen Einblick in das Leben mit Hochsensibilität zu geben…für uns Pferde ist diese wunderbare Fähigkeit völlig normal, aber für viele Menschen (besonders die Erwachsenen) ist das eine große Herausforderung… aber lest selbst…
Elisabeth ,so wird sie genannt…den Namen mag sie gern…aber sich selbst findet sie mittlerweile schon sehr seltsam und manchmal auch unausstehlich…so wie eigentlich fast alle Menschen in ihrem Umfeld sie finden… Ich mag Elisabeth jedoch sehr gern…weshalb, das erzähle ich euch jetzt…
Morgens, wenn der Tag beginnt ist es eigentlich fast immer dasselbe… Stress…Ärger…Hektik…Streit… Elisabeth mag das nicht sonderlich, aber mittlerweile ist es für sie alltägliche Routine… in ihrem Bett ist es morgens immer soooo gemütlich und sie ist noch sehr müde, weil nachts schläft Elisabeth sehr unruhig …das aufstehen und anziehen fühlt sich oft furchtbar an… die Kleidung ist kalt und kratzig…eigentlich hatte sie Mama gebeten diese kratzigen Schilder aus ihrer Kleidung zu entfernen, aber Mama war wohl wieder sehr gestresst…die Nähte an den Socken nerven sie bei jedem Schritt und die Hose fühlt sich an wie ein Gefängnis…eigentlich möchte Elisabeth das alles wieder ausziehen, aber Mama schreit schon wieder…und so bleibt ihr nichts anderes übrig als ihren Frust in einem Heul-Wutanfall herauszuschreien…wenn Mama schreit kann sie das auch… Mama schreit eh sehr viel und fühlt sich immer sehr stressig an…das macht Elisabeth Bauchweh… sie hat oft Bauchweh…ganz besonders wenn sie an ihre Schule denkt oder da hin muss… es ist so furchtbar laut dort…und Elisabeth fühlt sich oft so wütend und nachher total leer, traurig und einfach richtig blöd…alles was sie dort macht scheint falsch zu sein… sie zeichnet so gern, aber die Lehrerin findet ihre Bilder nicht richtig, wie sie vieles nicht richtig findet was Elisabeth macht…sie bekommt deshalb oft schlechtere Noten als andere Kinder…mittlerweile traut sie sich schon fast nichts mehr zu…und sie mag nicht gern mit anderen Menschen reden…sie traut sich nicht und außerdem findet sie das man doch ganz toll auf anderen Wegen ausdrücken kann was man möchte…mit Tieren zB klappt das immer ganz wunderbar…die verstehen Elisabeth wirklich gut…
Nun sitzt Elisabeth in der Schule, fühlt so alles und jeden um sich herum sehr intensiv…hat Bauchweh, Wut und Traurigkeit in sich…ist völlig überfordert mit dem allen und soll so auch noch lernen und zuhören… Nein, das ist zu viel… wo sie doch noch so müde ist von der unruhigen Nacht… Die Klamotten nerven auch immer noch und die vielen Geräusche um sie herum…nicht auszuhalten… Elisabeth weint… die Lehrerin und die anderen Kinder verstehen nicht weshalb und lachen sie aus… DAS REICHT JETZT ENTGÜLTIG…und Elisabeth bekommt einen heftigen Wutanfall…mal wieder…
Nun ist Mama da und holt sie ab, mal wieder… So geht das nicht weiter sagt sie… gemeinsam fahren sie zu einem Arzt…nach langen und einigen Untersuchungen bekommt Mama gesagt das Elisabeth hochsensibel sei… und nun? Ab hier komme ich ins Spiel…Elisabeths Mama vereinbart einen ersten Termin mit Doreen aus unserem Team auf unserem Therapiehof um uns kennen zu lernen…
POV Elisabeths Mama:
Elisabeth war schon immer sehr anstrengend, schon als Baby…sie hat viel geschrien, wenig geschlafen, war immer sehr unruhig und hat mich all meine Kraft gekostet…Ihr Papa arbeitet viel und konnte mich nicht so unterstützen wie ich es gebraucht hätte…er kommt allerdings besser mit ihr zurecht als ich…ich glaube er versteht sie besser als ich…der Kindergarten war anstrengend…sie wollte dort nicht gern hin…aber es ging ja nicht anders…ich muss ja auch arbeiten und wenn ich ehrlich bin tun mir die paar Stunden ja auch ganz gut…dafür sind die Tagesanfänge und Nachmittage meist sehr herausfordernd gewesen und sind es jetzt immer noch…und die Abende und Nächte sehen meist nicht viel besser aus…Elisabeth kommt nur schwer zur Ruhe und schläft sehr schlecht…hat oft Alpträume und kommt regelmäßig zu uns ins Elternbett…aber selbst da schläft sie sehr unruhig… Was sie liebt?...sie liebt das zeichnen…Musik und Tiere…Bücher liest sie gern…und wir sind oft draußen…sie liebt den Wald… Wenn ich doch nur wüsste wie ich ihr helfen kann…wir streiten so oft und ich fühle mich völlig überfordert…
POV Doreen:
Zuallererst einmal, ihr seid nicht allein mit all den Problemen…es gibt sehr viele Familien die ihren Alltag mit hochsensiblen Kindern nicht so gut gemeistert bekommen… uns als Familie ging es auch eine längere Zeit so…bis wir uns in das Thema Hochsensibilität eingelebt hatten und unseren Alltag nach den Bedürfnissen unserer 3 HS Kinder und mir als hochsensibler Mama gestalten konnten dauerte es eine ganze Weile… Ich möchte gern erstmal die für mich präsentesten Merkmale der Hochsensibilität ins Gespräch einflechten und nachher schauen wir gemeinsam mit unserem Therapiepferd Nelly wo ihr unsere Unterstützung braucht und wie wir euch helfen können…
Ich bezeichne das Leben mit Hochsensibilität immer als Leben ohne Filter… wir Hochsensiblen nehmen das Leben mit all unseren Sinnen viel intensiver wahr als Menschen die nicht mit HS (Hochsensibilität) geboren wurden …HS ist angeboren und wird in den meisten Fällen von mindestens einem Elternteil ,,vererbt“…
Wir fühlen intensiver, nicht nur körperlich sondern auch im emotionalen Bereich
Haut/fühlen/tasten: Etiketten in der Kleidung (das ist tatsächlich meine allererste Handlung diese nach dem Kauf von Kleidungsstücken zu entfernen ,und zwar bei mir und allen meinen Kindern und mir) oder Nähte zb an Socken, ,,kratzige“ Strumpfhosen, Pullover etc. können uns sprichwörtlich -in den Wahnsinn treiben…Knöpfe etc sind für viele einfach nicht berührbar
Nase/riechen: Gerüche werden von uns schneller und intensiver wahrgenommen... Während zB ein unangenehmer Geruch nach einiger Zeit für andere gar nicht mehr wahrnehmbar ist, kann es uns stark belasten und Konzentrationsschwierigkeiten ,Kopfschmerzen und Übelkeit verursachen… problematisch ist hierbei auch oft das Essen…entweder riecht es zu ,,komisch“, sieht nicht aus wie es soll oder die Konsistenz ist unerträglich
Ohren/hören: laute oder viele Geräusche auf einmal sind für viele HS eine große Herausforderung (hier wirken im übrigen gute Schallschutzkopfhörer wahre Wunder)…der Aufenthalt unter vielen Menschen oder in lauter Umgebung wird von sehr vielen Hochsensiblen schlichtweg vermieden… Kinder reagieren hier oftmals mit heftigen Wutausbrüchen weil ihnen der Lärm zu viel ist…
Augen/sehen: Erhöhte Lichtempfindlichkeit ist ebenfalls ein Merkmal der Hochsensibilität. Sonne ,Schnee, künstliches Licht kann zu schmerzenden oder tränenden Augen führen…
Neben all den körperlichen Viel- Fühligkeiten gibt es auch die emotionale Komponente
Wir sind außerordentlich empathisch, mehr als uns oftmals lieb ist. Das zeigt sich im starken Mitfühlen und der Fähigkeit andere Menschen zu lesen und recht schnell zwischenmenschliche Beziehungen zu erspüren. Ich zB fühle sehr schnell ob es jemand ehrlich mir gegenüber meint oder nicht und was mein Gegenüber fühlt (selbst körperliche Schmerzen des Anderen sind mittlerweile für mich wahrnehmbar)… Dass kann gelegentlich auch verunsichern da ich die Wahrheit deutlich fühle (körperlich) aber in einigen Situationen nicht adäquat reagieren kann. Diese Fähigkeit nutze ich mittlerweile aber in meiner therapeutischen Arbeit sehr gern und sehr effektiv. Die Herausforderung im sozialen Miteinander ist, sich nicht von Gefühlen anderer anstecken zu lassen, da wir oft nicht unterscheiden können ob es das eigene Gefühl ist oder das vom jeweiligen Gegenüber( besonders für Kinder). Je stärker die Ausprägung der Hochsensibilität, desto stärker auch die Wahrnehmung, auch über größere Distanzen (hierbei fühlen wir zB auch in sozialen Netzwerken die Energien des Geschriebenen). Aufgrund unserer starken Empfindungen meiden viele Hochsensible spannende Filme, Gewaltszenen und Nachrichten etc. Selbst die Frequenzen von Fernseh- und Radiogeräten können starke Reaktionen hervorrufen (zb Kopfschmerzen ,Übelkeit etc)
Eine Schwachstelle ist aber leider unser geringer Selbstwert… dadurch das wir ja deutlich spüren das wir anders sind und auch oftmals sehr überreizt und überfordert mit all dem Fühlen sinkt unser Selbstwert in den niedrig ausgeprägten Bereich… oftmals scheitern wir auch an unserem übertriebenen Perfektionismus und beim ,, sich mit Anderen vergleichen“…
Wichtig für uns sind auf jeden Fall regelmäßige Pausen um unser gesamtes System zu regulieren und wieder aufzutanken… Als Hochsensible richten wir uns unseren Alltag so ein, dass wir unseren Energiehaushalt nicht vollständig ausschöpfen. Tun wir das nicht folgt recht zeitnah die Reaktion unseres Systems mit zb heftigen körperlichen Beschwerden oder dem Gefühl des,, ausgebrannt seins“, auch bei Kindern. Deshalb planen wir gerne im Voraus und brauchen bei Veränderungen einen längeren Vorlauf als andere Menschen. Dies trifft aber längst nicht auf alle zu. Ich zb bin sehr spontan und kann mich super schnell und flexibel an neue Situationen anpassen und arbeite dabei immer sehr lösungsorientiert. Mit negativem Dauerstress oder Begrenzungen hingegen kann ich überhaupt nicht umgehen.
Unsere Kommunikation ist ebenfalls über Körpersprache, aber auch auf Herzebene und über Gedanken (telepathisch) möglich.
Alles in allem ist die Hochsensibilität für mich mittlerweile eine Gabe und ein Geschenk da ich gelernt habe meine Fähigkeiten für mich, meine Berufung und meinen Beruf zu nutzen. Auch für meine Kinder ist das Leben mit Hochsensibilität mittlerweile deutlich einfacher da wir unseren Alltag weitestgehend nach unseren Bedürfnissen strukturieren ( was durch das starre äußere System – Schule – Kita etc manchmal eine größere Herausforderung ist, aber mit Liebe, Balance, Authentizität ,viel Gefühl -Hineinspüren- und noch mehr Geborgenheit meistern wir das als Familie ganz gut)
Bis dahin war es allerdings ein sehr weiter, mega steiniger Weg. Diesen zu gehen haben uns unsere drei Kinder und unsere Pferde gelehrt…
POV Elisabeths Mama:
Puh, das ist erstmal sehr viel Information aber erklärt glaube ich meine Tochter sehr gut…und wenn ich länger darüber nachdenke erinnere ich mich mehr und mehr das ich als Kind auch so fühlte…aber damals gab es keinen Raum für mich und meine Bedürfnisse…ich hatte zu funktionieren, brav zu sein und meinen Eltern ja keinen Ärger zu machen… irgendwann bin ich dann wohl so geworden und habe mich dabei verloren, meine Bedürfnisse, Gefühle und Emotionen nicht mehr wahrgenommen…
POV Elisabeth:
Mama, kuck mal…das Pony mag mich…
POV Nelly:
Seit diesem Gespräch begleiten Doreen und ich Elisabeth und ihre Familie mit unserer tiergestützten Therapie… wir treffen uns wöchentlich 1x und schauen welches Thema gerade am akutesten bearbeitet werden möchte. Ich mag Elisabeth sehr gern… sie ist ganz fein in ihrer Wahrnehmung, unsere Kommunikation ist großartig und sie spürt auch wenn es mir mal nicht so toll geht, oder wenn Doreen grad mal eigene Themen mit sich herumschleppt (ja, auch Therapeuten haben solche Tage und es ist wichtig dies zu reflektieren…Kinder wie Elisabeth spüren es ja sowieso…und um sie nicht zu verunsichern reflektieren wir alles, auch unsere Themen)
POV Doreen:
Elisabeth blüht innerhalb der Therapie richtig auf… Stück für Stück arbeiten wir uns an ihre Themen heran und helfen ihr und ihrer Familie somit mittlerweile recht gut durch den Alltag…
Ich bin immer wieder mehr als dankbar für meine vierbeinigen Kollegen, die so vieles in der Therapie möglich machen…gerade unsere Pferde sind echte Spezialisten… Danke für jeden von ihnen